Digitalisierung von HR-Prozessen - Bereit für New Work in der KFZ-Branche?
1 Was bedeutet Digitalisierung von HR-Prozessen?
Grundsätzlich bezeichnet Digitalisierung im Human Resources-Bereich den Einsatz moderner Technologien und die dadurch entstandenen veränderten Formen der Zusammenarbeit. Ziel der Digitalisierung ist es nicht - wie vielfach angenommen -, die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Das Gegenteil ist der Fall: mehr Zeit soll für wertschöpfende Aufgaben geschaffen werden, um so mehr Zeit für die richtige Auswahl von Bewerberinnen und Bewerber zu erhalten. Digitalisierung bedeutet nicht, bestehende Arbeit grundsätzlich zu verändern. In den Mittelpunkt rücken vielmehr die verschiedenen Aufgaben und die damit verbundenen, wiederkehrenden Prozesse. Die Digitalisierung identifiziert diese Prozesse und automatisiert sie.
2 Die Digitalisierung und Automatisierung analoger Strukturen - Beispiele
Durch die Überführung analoger Strukturen in digitale Prozesse können Human Resources-Manager mehr Zeit in die Personalentwicklung investieren, Zeit für Mitarbeitergespräche haben oder die Geschäftsleitung in strategischen Fragen unterstützen. Bestimmte Bereiche im Human Resources Management können leicht automatisiert werden, bei anderen ist der Aufwand größer. Weil das Recruiting ohnehin hauptsächlich online abläuft, gestaltet sich die Digitalisierung hier recht einfach. Auch im Personalmanagement existieren bereits Datenlieferanten: Gehalts- oder Lohnabrechnungen und das Arbeitszeitmanagement. Die Digitalisierung von HR-Prozessen betrifft nicht nur Abläufe innerhalb der Personalabteilung, sondern involviert auch Mitarbeiter. Über Self Services können Mitarbeiter ihre persönlichen Daten aktualisieren und Zugriff auf Gehalts-, Arbeitszeit- und Leistungsinformationen erhalten.
3 Die Herausforderungen im Human Resources-Bereich
Für die Hälfte der Human Resources-Verantwortlichen sind operative Tätigkeiten in ihrem Arbeitsalltag dominant. 37 Prozent geben an, mit der Administration am meisten Zeit zu verbringen. Nur rund zehn Prozent hingegen beschäftigen sich vorrangig mit strategischen Herausforderungen - in Zeiten von New Work, Digitalisierung und War of Talents sollte dies richtigerweise am meisten Zeit beanspruchen. Der hohe administrative Aufwand und der daraus entstehende Zeitmangel lässt nur wenig Raum für das strategische Personalmanagement, zu dem die Personalentwicklung, die Netzwerkpflege und das Employer Branding zählen.
4 Aktuelle Veränderungen durch die Digitalisierung
Die Coronapandemie war die entscheidende Triebfeder für die schnelle Entwicklung der Digitalisierung. Innerhalb weniger Wochen waren Unternehmen gezwungen, Prozesse und Strukturen zu transformieren. Home-Office wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Arbeitswelt - und wird es vermutlich bleiben. Neben den Kernaufgaben der Personalabteilung gibt es weitere Bereiche, die sich verändern. Die Personalentwicklung wird sich vorrangig virtuell abspielen. Mitarbeiter nehmen an Seminaren künftig online teil. Das bringt für beide Seiten Vorteile: Der Arbeitgeber spart Reise- und Übernachtungskosten, der Arbeitnehmer bleibt bei seiner Familie. Videokonferenzen wurden über Nacht zum primären Kommunikationstool und sind mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Bewerbungsgespräche laufen mittlerweile in vielen Fällen erst online ab, bevor es zu einem persönlichen Treffen kommt. Neben den technischen Veränderungen beschäftigt Personalverantwortliche aber insbesondere der Fachkräftemangel. In der Automobilbranche kommt es durch den Wandel hin zur Elektromobilität zu tiefgreifenden Umwälzungen. Dies bekommt das Recruiting aufgrund der veränderten Anforderungsprofile der Mitarbeiter in entscheidendem Maße zu spüren. Vor dem Hintergrund des War of Talents in einem wettbewerbsstarken Markt ist es für die Automobilbranche daher eine besondere Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
5 Die Automobilbranche - der Status quo
Die Automobilbranche sieht sich einschneidenden Veränderungen gegenüber. Dazu zählt der Umwelt- und Klimaschutz, der nach neuen Lösungen verlangt. Die steigenden Kosten für Verbrennungsmotoren, Versicherung und Steuern führen zu einem nachlassenden Interesse am Auto. Es verliert seine Funktion als Statussymbol und wird durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt. In Zeiten von Car-Sharing-Angeboten und E-Bikes besitzt das Auto gerade in Innenstädten eine zunehmend schwierige Position. Car-Sharing wird immer populärer, weil der Verbraucher nicht mehr für das ganze Auto bezahlen möchte, sondern lediglich für die in Anspruch genommene Mobilität.
5.1 Die Veränderungen in der Automobilindustrie und ihre Auswirkungen auf Mitarbeiterprofile
Die tiefgreifenden Veränderungen in der Automobilindustrie wirken sich auf die Anforderungsprofile der Mitarbeiter aus. Die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen verlangt nach anderen Anforderungsprofilen in Mitarbeitern. Prognosen zufolge wird sich die Anzahl an Mitarbeitern im Bereich der Produktion deutlich reduzieren. Das Auto verändert sich auch im Interieur: Es wird immer mehr zum Smartphone und kommuniziert nicht nur mit dem Fahrer, sondern auch mit seiner Umwelt und anderen Verkehrsteilenehmern. Dadurch werden zunehmend Berufe in der Automobilbranche notwendig, die ursprünglich im IT-Bereich angesiedelt waren. Software spielt eine immer bedeutendere Rolle im Automobilbereich. Sie macht in vielen Fällen einen physischen Werkstattbesuch obsolet, denn Updates aus der Ferne beheben Fehler und sorgen für neue Funktionen. Die Elektromobilität verschiebt die Wertschöpfung noch an einer anderen Stelle in der Autoproduktion: die Herstellung von Batterien. Deutschland liegt in der Batterieproduktion noch weit hinter China zurück - trotz der Anstrengungen des US-Konzerns Tesla. Das autonome Fahren übt ebenfalls einen Einfluss auf die Verkehrswende aus. Zwar ist die dafür notwendige Infrastruktur nicht in allen Bereichen möglich und viele Autofahrer möchten nach wie vor selbst fahren, dennoch führt das autonome Fahren zu anderen Berufsbildern in der Fahrzeugproduktion.
5.2 Die veränderten Anforderungsprofile von Mitarbeitern
Einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zufolge besitzt die Automatisierung weitaus größere Auswirkungen. Durch sie benötigen Autohersteller und ihre Zulieferer immer weniger Mitarbeiter für die Produktion. Für Automobilkonzerne stehen Innovationstreiber und Out-of-the-box-Denker ganz oben auf der Mitarbeiter-Wunschliste. Digitale Expertise aus anderen Branchen wird für Recruiter zunehmend wichtiger. Der »War for Talents» verschärft sich und findet zunehmend branchenübergreifend statt: Automobilproduzenten konkurrieren mit Technologiekonzernen um IT-Spezialisten. Dies bietet auch Quereinsteigern in der Automobilbranche erhöhte Einstiegschancen. Für Fachkräfte aus dem IT-Bereich spielt dabei weniger das Interesse am Auto eine Rolle als vielmehr die Entwicklung der Mobilität, die sie vorantreiben möchten.
5.3 Führungskräfte und New Work
Für Führungskräfte, die steile Hierarchien, starre Prozesse und Strukturen gewohnt sind, werden die veränderten Anforderungsprofile eine zusätzliche Herausforderung. Die entstehenden flacheren Hierarchien und durchlässigeren Organisationsformen erfordern Selbständigkeit und Eigenverantwortung unter den Mitarbeitern. Gemischte, internationale Teams mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die in verschiedenen Teilen der Erde leben und nicht physisch präsent sind, waren bislang nicht Teil von Konzernen. Auch deshalb haben sich die Anforderungen an Führungskräfte verändert. Sie müssen nicht nur Fachwissen, sondern auch Leadershipkompetenzen vorweisen, um diesen fluiden Strukturen Rechnung zu tragen. Manager müssen offen für Veränderungen sein, versiert im Umgang mit der zunehmenden Digitalisierung und bereit für andere Arbeitsmodelle im Sinne des New Work-Gedankens. Führungskräfte in der Automobilbranche müssen ein inspirierendes und innovatives Arbeitsumfeld schaffen und offen für Veränderungen sein. Sie hinterfragen Prozesse und Strukturen zum Vorteil ihrer Mitarbeiter. Um junge Talente und kreative Köpfe zu gewinnen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Human Resources und Führungskräften angezeigt. So kann ermittelt werden, welcher Bedarf konkret besteht. Networking und Kontakte außer- und innerhalb der Branche zählt ferner zu den Möglichkeiten des New Work-Gedankens, um die besten Talente zu gewinnen.
6 New Work in der Automobilbranche
Doch was ist New Work eigentlich und was bedeutet es für die Automobilbranche?
6.1 Was ist New Work?
Jeder Mitarbeiter arbeitet im Rahmen der betrieblichen und gesetzlichen Regularien wann, wo und wie er will - mobiles Arbeiten erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In vielen Konzernen gehen damit Pläne zur Reduktion und Umstrukturierung der Arbeitsfläche einher. New Work steht als Gegenentwurf zu einer Arbeitswelt, für die starre Strukturen und Leistungsvorgaben charakteristisch sind. Mitarbeiter erhalten die Möglichkeit, sich zu entfalten und selbständig zu handeln. Dazu gehören sechs Faktoren:
- Flexibilität in Arbeitszeit und -ort
- Flache Hierarchien: demokratische Führungskultur
- Agilität: Strukturen und Prozesse können schnell angepasst werden
- Digitalisierung der Arbeitsprozesse
- Individualität: Einbindung der Mitarbeiter in die Strategieentwicklung
- Neue Bürokonzepte: Arbeitsumgebungen werden flexibel
6.2 Die Arbeitsmodelle der Zukunft
Hybride Arbeitsmodelle sind die Zukunft. Die Mitarbeiter wollen das Beste aus beiden Welten. Dazu gehören Flexibilität und eine strategische Personalpolitik. Im Optimalfall profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Arbeitnehmer fühlen sich dadurch mehr wertgeschätzt, sind zufriedener mit ihrer Tätigkeit und motivierter. Arbeitgeber erhalten im Umkehrschluss motivierte Teams, die produktiver arbeiten. Im Ergebnis bedeutet dies mehr Innovationskraft und Wirtschaftlichkeit. Dennoch ist flexibles Arbeiten ist nicht die einzig zukunftsfähige Form der Zusammenarbeit. Manche Arbeitsplätze erlauben schlicht kein Home-Office, weil die Tätigkeit menschliche Unterstützung erfordern. Wollen Betriebe an ihren bisherigen Arbeitsmodellen festhalten, ist flexibles Arbeiten kontraproduktiv. Es ist daher entscheidend, dass flexible Arbeitsmodelle unter Miteinbeziehung aller Mitarbeiter in die Unternehmenskultur implementiert werden. Für solch grundlegende Veränderungen ist der Human Resources-Bereich verantwortlich. Um sie nachhaltig zu etablieren, müssen Arbeitskapazitäten vorhanden sein. Die Digitalisierung von Routineprozessen ermöglicht dies.
7 Fazit
Der Human Resources-Bereich steht unter großem Druck. In den meisten Konzernen sind die Personalabteilungen noch von operativen oder administrativen Tätigkeiten geprägt. Strategische Aufgaben finden zu wenig Beachtung. Doch die Digitalisierung bringt künstliche Intelligenz und Automatisierung von Prozessen ins Spiel, Routineabläufe rücken in den Hintergrund. Der HR-Bereich sieht sich zunehmend mit der Frage konfrontiert, welche Skills und Aufgabenbereiche im Recruitment künftig eine Rolle spielen. Der technologische Fortschritt ist rasant - auch deshalb ist eine leistungsfähige IT-Architektur obligat. Ferner werden Fähigkeiten wie Kreativität, analytisches Denken und Kommunikationskompetenz für Mitarbeiter immer wichtiger. Um im War for Talents zu bestehen, müssen sich Automobilhersteller als attraktiver und moderner Arbeitgeber positionieren. Ein schlüssiges Employer Branding, Personalentwicklung sowie die strategische Gewinnung von Fachkräften fällt in den Aufgabenbereich von Personalern. Werden wiederkehrende HR-Prozesse digitalisiert und automatisiert, bleibt den Human Resources-Mitarbeitern mehr Zeit für effektive Personalentwicklung und die Gewinnung von Fachkräften - beides wichtige Faktoren für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.